… und nichts wissen macht nichts, plapperten wir Erstsemestler dazumal leichtfertig dahin. Wie grundlegend wir uns irrten und wie elementar Gegenwart und Zukunft vom Wissen geprägt werden, zeigen jugendliche Asylsuchende.
Marianne Hopsch hat eine Vision. Unermüdlich setzt sich die Präsidentin des Vereins ROBIJ für die Integration jugendlicher Asylsuchender ein. So organisiert sie nicht nur Berufserkundungstage, an denen sich Firmen und Lehrstellensuchende gegenseitig beschnuppern können, sondern schult die Jugendlichen auch berufsethisch. Sie erklärt ihnen aus erster Hand, worauf Unternehmer bei der Besetzung einer Lehrstelle achten. Ihre Tipps sind unbezahlbar.
Das Wiedersehen
Der Workshop zum Thema «Schnuppern – bin ich fit?» am späten Nachmittag im MNA-Zentrum Lilienberg ist mit 16 männlichen Jugendlichen zwischen 16 und 18 Jahren gut besucht und nicht der erste, den Marianne Hopsch veranstaltet. Vier von ihnen erscheinen fünf Minuten vor Beginn, erhalten eine kleine Zeichnung auf ihrem Namensschild und werden somit Teil einer späteren Lektion.
Alle Teilnehmer sind ausgesucht höflich. Sie begrüssen die Kursleiterin freundlich und zeigen ihre Deutsch-Fortschritte in leichter Konversation. Sie lernen schnell, denn sie wissen, dass die Sprache ihre Gegenwart und Zukunft ist.
Das Übergwändli
Aufmerksam und aktiv nehmen alle teil. Sie wissen bereits, dass Pünktlichkeit geschätzt wird. Weil sonst viele auf einen warten müssen, ergänzt Muharaksha. Gut, das Wissen ist da, aber noch nicht verankert, denkt sich die Referentin, denn pünktlich beim Workshop waren nur vier Jugendliche. Nur den Pünktlichen hat sie auf das Namensschild gezeichnet und erklärt nun allen noch einmal, warum das für ihre Zukunft wichtig ist: Pünktlichkeit widerspiegelt Zuverlässigkeit und das schafft Zufriedenheit beim Kunden, und somit beim Unternehmer, und schlussendlich auch beim Mitarbeiter, denn Zufriedenheit glänzt eines Tages in der Lohntüte.
Janali weiss auch, dass Sauberkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft und Teamfähigkeit Zufriedenheit schaffen und von einem Lehrling erwartet werden. Dass Firmenmitarbeitende, also auch Lehrlinge, Firmenvertreter sind, die zum Image eines Betriebes beitragen, ist ihnen allerdings neu. Wer Firmenkleider in der Öffentlichkeit trägt, gibt seinen Namen in der Umkleidekabine ab. Das muss erst verdaut werden.
Das Zeugnis
Allmählich erfassen die jungen Zuhörer die Zusammenhänge. Sie verstehen, dass nicht nur sie einen Betrieb beschnuppern, sondern auch selbst genauestens auf Eignung geprüft werden. Sie begreifen die weitreichenden Konsequenzen von Verspätungen und Unfreundlichkeit. Sie lernen, was Solidarität ist und wie wichtig echtes Interesse, Respekt und Kommunikation sind. Betretene Stille trat aber ein, als Marianne Hopsch aus ihrem Berufsalltag erzählte. Wichtiger als gute Schulnoten, sagt sie, ist die Anzahl der Absenzen, vor allem der unentschuldigten im Zeugnis. Das war den Jungen nicht bewusst. Hier schloss sich der Kreis, denn spätestens jetzt hatten alle die Sache mit der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit wirklich verstanden.
Das Zauberwort
Für Feinheiten der deutschen Sprache ist es eigentlich noch zu früh. Aber ein Zauberwort passt immer, denkt sich die Unternehmerin und vermittelt den jungen Lehrstellensuchenden den Unterschied zwischen müssen, sollen, können und dürfen. Das ist schon hohe Schule, aber wer den Lehrmeister fragt, was er tun darf und nicht fragt, was er tun muss, schafft Zufriedenheit. Naja, und wie das mit der Zufriedenheit weiter geht, wissen die Burschen jetzt.
Für die Beantwortung konkreter Fragen einzelner Jugendlicher nimmt sich die Vereinspräsidentin im Anschluss wie immer viel Zeit. Und sie wird wieder kommen. Denn nun wissen sie, was sie tun.
Nichts wissen, macht eben doch was!
Ein Beitrag unserer Gastautorin N.D.